Es waren meine Spielkameraden, die munteren kleinen Jungen und Mädchen meines Heimatstädtchens Akureyri3, die unten am Ufer des gewaltigen Eyjafjördur4 spielten. Das Wetter war sommerlich warm, still und ruhig, lau und lind. Ich sprang auf und schaute durch das Fenster auf das Meer hinunter. Draußen war es aber schon so finster geworden, dass ich die spielenden Kinder nicht mehr sehen konnte. Ich war gespannt, was da unten wohl geschehen sei. So vergnügt lachten und jauchzten die Kinder nur bei außergewöhnlichen Ereignissen. „Aber, du guter Gott, was ist denn das?“, rief ich nun selber aus, indem ich meinen Blick etwas weiter in die Ferne schweifen ließ. „Das ist doch einfach wunderbar!“ Und was sah ich dort?
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© Friederika Priemer 2015
1In: Aus Island. Erlebnisse und Erinnerungen. II. Kapitel. Von Jón Svensson (Nonni), Freiburg im Breisgau, 1918. Herdersche Verlagshandlung Berlin, Karlsruhe, Köln, München, Straßburg und Wien. Im September 2015 behutsam überarbeitet von Friederika Priemer und auf der Homepage des Nonni-Fanclub- Deutschland in www.funcity.de als Fortsetzungsgeschichte veröffentlicht.
Ich wuchs auf wie eine wilde Blume in Gottes freier Natur, inmitten der stolzen isländischen Berge, nahe dem Meeresufer.
Erzogen wurde ich nach den Grundsätzen der meisten isländischen Familien, nämlich in der größtmöglichen Freiheit.
Nach althergebrachtem normannischem Gebrauch lässt man dortzulande den Kindern reichliche Freiheit - nicht damit sie ungezogen werden, sondern zu dem Zweck, dass sie sich selbst helfen lernen und sobald wie möglich zu einer gewissen Selbständigkeit gelangen. Die Kinder sollen nicht wie willenlose Geschöpfe herumgeschoben und auf Schritt und Tritt überwacht werden.
Selbstverständlich hat diese Freiheit ihre Grenzen: mit größter Strenge wird Gehorsam und gutes Benehmen gefordert. Darüber wird unerbittlich gewacht; denn Vornehmheit ist Ehrensache.
Natürlich hatte ich, der kleine Wildfang, gegen diese Erziehungsweise nichts einzuwenden. So wuchs ich heran, und als ich sieben Jahre alt geworden, war ich kräftig und gesund und voller Unternehmungslust.
Die Reitkunst, die in Island für jung und alt unentbehrlich ist oder wenigstens damals war, lernte ich zu dieser Zeit und bekam nun von meinem Vater ein niedliches kleines Reitpferd zum Geschenk. Es war schneeweiß und hieß "Grani", gerade wie das berühmte Reitpferd Siegfried des Drachentöters.
Nach Herzenslust durfte ich auf dem sicheren Rücken Granis in der Umgegend Ritte machen. Ich ritt über Stock und Stein, über Berge und Täler und machte Besuche auf weit entfernten Höfen, wo ich immer mit der größten Freundlichkeit empfangen wurde. Die Gastfreundschaft ist eine der schönsten Tugenden des isländischen Volkes.
Aber die Ritte durch das herrliche Land machten nicht unsere einzigen Vergnügungen aus: wir wohnten am Meeresstrande, und unmittelbar vor unserem Elternhaus lag das große Atlantische Meer. Da war es ja selbstverständlich, dass wir auch einen kleinen Kahn besaßen.
Ohne Widerspruch vonseiten meiner Eltern durfte ich auf dem weiten Meer Ruder- und Segelfahrten unternehmen. Da ruderte oder segelte ich also, wie es mir passte, allein oder auch mit meinem kleinen Bruder Manni.
Gewiss kamen wir dabei mitunter in Gefahr. Das wussten unsere Eltern wohl. Trotzdem wurden uns diese Ausflüge nicht verwehrt. Derartige Gefahren galten nicht als hinreichender Grund zu einem Verbot.
Mehr als einmal fiel ich in die salzigen Fluten. Ich hätte ertrinken können. Doch immer kam ich wieder mit dem Leben davon ....
Entnommen dem Buch von Jón Svensson "Wie Nonni das Glück fand", Verlag Herder 1948, S. 1-3.Dieser Titel wurde im Jahr 2011 vom Verlag SJM neu als Taschenbuch herausgebracht (siehe Abbildung links) und kann in jeder Buchhandlung bestellt werden.
"Nachdem die Mutter nochmals die Kajüte und meine Lagerstätte besichtigt hatte, bat sie den Kapitän, zum Abschied noch einige Augenblicke mit mir allein zu sein.[...]
Der Abschied war kurz. Die Mutter umarmte mich und küsste mich. Dann sprach sie:
"Jetzt müssen wir scheiden, mein lieber Nonni. Es ist möglich, dass wir uns in diesem Leben nicht wiedersehen; aber ich hoffe, Gott wird uns einst im Himmel wieder vereinen."
Wie es mir in diesem Augenblick ums Herz war, kann ich nicht mit Worten ausdrücken. Ich hatte meine Mutter so lieb. Ich konnte ihr nur durch Tränen antworten.
"Lass uns nun ein Ende machen", sagte sie. "Lebe wohl, Kind! Ich übergebe dich dem Schutze Gottes. Er ist der Beschützer der Waisen; möge er dir Vater und Mutter sein."
Das waren ihre letzten Worte.[...]
Eilig nahm sie Abschied vom Kapitän und den umstehenden Matrosen und stieg ins Boot, das schnell davon fuhr.
Ich lehnte mich an den Schiffsrand und schaute dem Boot nach. Die Mutter wandte sich einige Male um und nickte liebevoll herüber. Ich winkte zurück.[...]
Da legte sich unser Schiff auf die Seite und wandte die Spitze vom Land ab. Ich hatte also den Weg zu meiner neuen Heimat angetreten.
Erneut überfiel mich wieder das frühere Gefühl. Ich kam mir vor wie ein Baum, der mit der Wurzel ausgerissen und in ein neues Erdreich gepflanzt wird.
Mein Vaterland, mein liebes Island, meine Landsleute, das glückliche Leben, das ich bis jetzt in der Familie und mit meinen Freunden verlebt hatte, alles das sollte jetzt für mich nur noch eine liebe Erinnerung sein.
Von nun an sollte ich fremd unter fremden Menschen leben. ....
Auszug aus "Nonni. Erlebnisse eines jungen Isländers, von ihm selbst erzählt". Es erschien im Jahr 1913 und wurde sofort ein Bestseller! Der hier ausgebrachte Textauszug stammt aus der Neuausgabe aus dem Jahr 1979 / Seite 54.
Wir müssen ausgesehen haben wie echte Schiffbrüchige, so wie wir da saßen, zusammengekauert, bleich und matt, ganz durchnässt, und ich dazu in bloßen Hemdsärmeln, von denen der eine nur mit Not um meinen Arm gebunden war.
Wir waren aber auch beide ganz elend; es konnte nicht lange so weiter gehen.
Es musste bald Hilfe kommen, sonst war es aus mit uns.
Manni unterbrach die längere Pause: "Wie geht es Dir, Nonni?"
"Ich fühle mich sehr schwach. Mit dir wird"s wohl gerade so sein."
"Ja, es ist mir, als wollte ich in Ohnmacht fallen. Doch, Nonni, mir ist gerade ein Gedanke gekommen: Seeleute, die in Gefahr sind wie wir, machen, wie man sagt, Gott oft ein Gelübde für den Fall, dass sie gerettet werden. Sollen wir das nicht auch tun? Vielleicht hilft er uns dann eher." [...]
"Weißt du nun was, Nonni? Sollten wir nicht Gott das Gelübde machen, dass wir, wenn wir groß geworden sind, auch für ihn arbeiten wollen, gerade wie der heilige Franz Xaver?"
Ich stutzte über Mannis Vorschlag. Mir schien, sein Gelübde sei etwas dreist. Doch ich ging darauf ein. [...]
Wir sammelten uns einen Augenblick und gelobten Gott, wir wollten den heiligen Franz Xaver nachahmen, wenn er uns aus der Gefahr errette.
Als wir fertig waren, sahen wir beide umher, in der Hoffnung, die Hilfe würde wohl sofort kommen.
Aber - es war nichts zu sehen. [...]
Ich merkte, dass Mannis Zustand sich verschlimmerte. Er sah aus, als sei er dem Tode nahe. "Allmächtiger, lieber Gott, ach hilf uns! Hilf uns!" wiederholte ich in einem fort. [...]
Während wir so miteinander redeten, glaubten wir auf einmal einen dumpfen, klagenden Ton in der Ferne zu vernehmen. [...] Wir waren ganz Ohr; denn der langgedehnte, klagende Ton erscholl wieder und kam immer näher-
Plötzlich traf es mich wie ein Blitz: "Das ist ein Schiff, Manni, das durch den Nebel auf uns zukommt -!"
Quelle: „Nonni und Manni. Zwei isländische Knaben“ von Jón Svensson. Verlag Josef Habbel, Regensburg, ohne Jahresangabe (vermutlich 1918), S. 95 ff.
Es war am Vormittag des 24. Dezember auf meinem elterlichen Hofe Möðruvellir in Nord-Island.
Ich saß in der kleinen Wohnstube und plauderte mit meinem kleinen Bruder Manni über Wind und Wetter und allerhand wichtige Dinge.
Da auf einmal hörten wir von draußen her ein dumpfes Geräusch.
Bum! Bum! Bum! dröhnte es an der Außentür des Hofes!
"Ein Reisender!" rief Manni aus und klatschte vor Freude in die Hände.
"Du hast Recht, Manni", sagte ich. "Es ist sicher ein Reisender, der angeklopft hat."
Es musste in der Tat ein Fremder an den Hof gekommen sein, denn überall in Island ist es Brauch, dass ein fremder Gast sich durch drei kräftige Schläge mit seinem langen Reisestock an der hölzernen Giebelwand der Höfe nahe der Eingangstür anmeldet.
Ich sprang auf und lief nach der Türe des anstoßenden Zimmers, wo meine Mutter und meine Schwester Bogga zusammensaßen, um ihnen das merkwürdige Ereignis zu melden.
"Es ist ein Fremder da!" rief ich in das Zimmer hinein.
"Ja, Nonni", erwiderte meine Mutter, die schon aufgestanden war, "wir haben auch die Schläge gehört."
"Mutter", bat ich, "darf ich nicht mit Manni hinauslaufen, um zu sehen, wer angekommen ist?"
Quelle: Das gezeigte Buch, erschienen bei Herder/Freiburg 1950, S. 1
Kurz vor Beginn der Frankfurter Buchmesse, 12.-16. Okt. 2011, wurde mir ein Nonni-Buch aus dem Jahr 1935 zugeschickt, das die links gezeigte Widmung mit Autogramm enthält: "Gud sé pér alt í öllu!" Jón Svensson - "Nonni" - war ja Isländer und hat deshalb manchmal seinen kleinen und großen Verehrern eine Widmung auf Isländisch in ihre Bücher geschrieben.
Dieser Satz seiner Mutter lautet auf Deutsch: "Gott sei dir alles in allen Dingen!", und mit diesem Wunsch beendete sie oft ihre Briefe an ihren kleinen (und später auch an den erwachsenen) "Nonni". Briefe waren ja die einzige Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu bleiben - auch wenn die Post oft monatelang unterwegs war, per Schiff (Segel-, später Dampfschiff)! Kommunikationsmittel wie Telefon, Fax, E-Mail etc. gab es ja damals noch nicht. Nachdem sie ihren 12-jährigen Sohn in die weite Welt hatte ziehen lassen, damit er das ihm angebotene Stipendium in einem angesehenen Internat in Frankreich wahrnehmen konnte, sahen sie sich in dieser Welt niemals wieder, hofften aber auf ein Wiedersehen bei Gott.
Diese und andere Nonnibücher sind über Bookcrossing-Aktionen des Nonni-Fanclubs-Deutschland auf Reise zu anderen Lesern gegangen. Wenn du auch ein Buch bekommen möchtest maile an nonni-fanclub-deutschland@funcity.de